weserholz
Design als Brücke
in Ausbildung

Das Social Design Projekt bestärkte Menschen in ihrer Selbstbestimmung und förderte ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion. Ganz konkret geht es um Zugänge zu hochwertiger Bildung und menschenwürdiger Arbeit. Aus der Design-Perspektive sprechen wir von einem Slow-Prototyping – dem schrittweisen Finden, Ausprobieren und Anpassen von Lösungsansätzen und damit dem Realisieren Sozialer Innovation.


was beschäftigt uns

Ausgangssituation

Alles begann mit einer Begegnung: weserholz Initiatorin Paula lernte 2015 in Bremen einen unbegleiteten Jugendlichen aus Senegal kennen und übernahm eine Vormundschaft für ihn. Sie erkannte hierüber schnell die prekäre Situation, in der sich Menschen befinden, die mit Duldung – nach dt. Aufenthaltsrecht: vorübergehende Aussetzung der Abschiebung – in Bremen leben bzw. hier politisch „verwahrt“ werden.

Hintergrund:
Jungen geflüchteten Erwachsenen, die mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung in Bremen leben, bleibt der Zugang zu passenden Bildungsangeboten wie Deutschunterricht oder Ausbildung häufig versperrt. Gründe sind fehlende oder nicht-zertifizierte Qualifikationen aus anderen Ländern, die unsichere Bleibeperspektive oder strukturelle Rahmenbedingungen.


welche konkreten Ideen haben wir

Lösungsansatz

Ein empowerndes Bildungsprogramm für Menschen ohne feste Bleibeperspektive, das auf Kreativität setzt

In Co-Kreation entwickelten wir weserholz – Design als Brücke in Ausbildung und setzten somit den Grundstein für unser heutiges Unternehmen. In unserem Konzept verbanden wir Design und Handwerk mit dem Lernen der deutschen Sprache sowie Mathematik und Berufsorientierung. Von Herbst 2017 bis 2021 durchliefen jährlich sechs junge Erwachsene (Trainees; 18-27 Jahre) unser Curriculum.

Die Entwicklung von Möbeln und Interieur spielte hier eine große Rolle. In der Werkstatt wurden gemeinsam Ideen entwickelt, schnelle Modelle gebaut und Stühle zur Produktreife gebracht. So entstanden aus verschiedenen Perspektiven physische Produkte, die neue Narrative zu Migration und Flucht in die Gesellschaft transportierten.

Über Co-Kreation und Bildungsprogramm gestalteten sich die Trainees ihre (berufliche) Zukunft und machten sich fit für eine duale Berufsausbildung, die vorangehende Einstiegsqualifizierung (EQ) oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Bremer Betriebe und Unternehmen, die nach motiviertem Nachwuchs suchten, fanden in weserholz ein zuverlässiges Gegenüber. Bereits während der ersten Praktika lernten sie einzelne Trainees, als auch Ansprechpartner*innen aus dem Team kennen. Wir berieten die Betriebe bei formalen Fragen wie z.B. Fördermöglichkeiten und unterstützten bei Herausforderungen bezüglich einer EQ oder Ausbildung.

Mit einer positiven und co-kreativen Organisationskultur und dem Erproben neuer Arbeitsweisen.

Unser Team ­– zuweilen bestehend aus 15 Personen aus 9 Ländern – verstand sich jeher als lernende Organisation und praktizierte Zusammenarbeit so, dass alle Mitarbeitenden und Trainees ihre Potentiale zum Einsatz bringen und stetig dazu lernen konnten.

Unser Wertekompass beinhaltete u.a. einen partizipativen und ganzheitlichen Ansatz, sowohl in der Ausrichtung von Inhalten und Strukturen als auch in der internen und öffentlichen Kommunikation. Ein besonderer Fokus lag auch auf der Schaffung eines safe space – eines sicheren und vertrauensvollen Raums – für alle Individuen.

Der etablierten Projektförderlogik bewusst – u.a. zeitlich begrenzte Laufzeit, wiederkehrender Innovationszwang, Nicht-Finanzierung von Organisationskosten –, entwickelten wir eine sozialunternehmerische Vision: Wir wollten längerfristig nicht allein durch Fördermittel und Spenden finanziert sein, sondern auch Umsätze durch den Verkauf unserer Möbel und des Interieur erzielen.

Da unser Vorhaben nie in eine Schublade passte, bedurfte es vieler Gespräche und Kooperation diverser Akteur*innen. So begannen wir früh mit dem Aufbau eines transsektoralen und interdisziplinären Netzwerks. Gemeinsam mit diversen Akteur*innen arbeiteten wir an einer politischen Öffentlichkeit für Themen wie Bleiberecht, Zukunftsperspektiven oder Handlungsbedarfe.


Was bewirkt es bei den Beteiligten

Outcome

Die Herausforderungen bei der Wirkungsmessung sind mannigfaltig (s. auch Impact). Dennoch wagen wir hier den Versuch, sowohl einige Zahlen zu nennen als auch einige Erkenntnisse als Momentaufnahme aufzuführen. Und wir arbeiten mit jedem neuen Projekt daran, das Thema weiter zu verankern und zu professionalisieren.

Trainees
Die Trainee-Plätze waren in allen vier Jahrgängen stark nachgefragt und immer belegt. Es gab vereinzelt Abbrüche, die meist auf die herausfordernde persönliche Situation zurückzuführen waren. Insgesamt konnten wir über die vier Jahre 28 junge Menschen begleiten und jede*r für sich etwas mitnehmen.

Veränderung der Lebenssituation:

  • Eine verbesserte Wohnsituation durch enge Begleitung, z.B. in erste eigene Wohngemeinschaft oder Wohnung nach dem Übergangswohnheim.
  • Der verbesserte Gesundheitszustand durch Fürsorge in Gemeinschaft, Vermittlung in Therapien, Zugang zu den richtigen Ärzten etc.
  • Fast alle erlebten eine Verbesserung ihrer Arbeits- und/oder Aufenthaltssituation durch Beginn einer Einstiegsqualifizierung (EQ), Ausbildung und Arbeit und eine begleitende kostenfreie Beratung zu ihren Rechten und sich verändernden gesetzlichen Aufenthaltsbestimmungen: zwei ehemalige Trainees konnten ihre EQ und drei ihre Ausbildung abschließen, drei sind (Herbst Stand 2023) aktuell noch in der Ausbildung und 11 Personen (von denen wir wissen) in einem Arbeitsverhältnis, zwei weitere haben den Übergang in die Schule geschafft.

Veränderung von Fähigkeiten und Verhalten:

  • Alle Trainees verbesserten individuell ihre Sprachkenntnisse im Deutschen. Nach offizieller Testung durch die Teilnahme an telc Prüfungen, bestanden 13 Trainees die mündliche Prüfung (B1 oder B2) und fünf bestanden sowohl mündlich als auch schriftlich (A2, B1 oder B2). Einige der Trainees nahmen an keiner Sprachprüfung teil.
  • Sehr gutes Feedback der Trainees, u.a. zu Selbstwirksamkeit und Kommunikationsfähigkeit (z.B. in Bewerbungssituationen, bei Behörden)
  • Durch die Entwicklung und das Bauen von Möbeln (Gruppen oder Einzelprojekte) wurde vielen bewusst, was sie alles schaffen können. Sie gewannen fachliches Wissen sowie Vertrauen in die eigenen Stärken.
  • Selbstsicherheit im Umgang mit potentiellen Arbeitssituationen (wie Konflikte im Team, Arbeitsabläufe und -anweisungen) sowie die Fähigkeit, sich selbstständig im deutschen System von Ausbildung und Arbeit zu orientieren und die Fertigkeit, notwendige Dokumente für die Integration in den Arbeitsmarkt zu erstellen (z.B. Bewerbungsunterlagen).
  • Viele traten als Gastgeber*innen auf, indem sie öffentlich zu Ausstellungen und Festen einluden und Menschen an unserem gemeinsam gestalteten Ort willkommen hießen.

Mitarbeitende & Gründungsteam
Viele der Mitarbeitenden haben sich innerhalb der Projektlaufzeit neue Ziele für ihren beruflichen Werdegang gesteckt und verstehen sich als stetig Lernende:

  • Zwei Mitarbeitende, jeweils mit Fluchterfahrung, sind bei weserholz ihrem ersten Beschäftigungsverhältnis in Deutschland nachgegangen. Einer von ihnen machte nebenbei seinen Maschinenschein und blieb auch danach im Handwerk. Der andere schaffte den Sprung in die Oberschule für sein Fachabitur mit Schwerpunkt Bau/Architektur. Eine Mitarbeitende erarbeitete sich fundierte fachliche Kenntnisse sowie einen praktischen Erfahrungsschatz und studiert nun Soziale Arbeit.
  • Wir drei Gründer*innen haben unser jeweiliges Berufsprofil über die Jahre verändert und in den Bereich Social Entrepreneurship überführt.
  • Ein Großteil der Mitarbeitenden hat ein deutlich verändertes Bewusstsein in Bezug u.a. auf weiße Privilegien, strukturelle Benachteiligungen, Marginalisierungen und bestehende oder fehlende Chancen für Menschen erlangt. U.a. durch Schulungen zu Critical Whiteness, Leichte Sprache, traumasensibler Praxisarbeit uvm. Wir stellen uns auf stetes und lebenslanges Lernen ein.

wie wirkt es in die Gesellschaft

Impact

Hier stehen wir vor der Schwierigkeit, dass die Wirkung in der Regel 1) erst nach mehreren Jahren auftritt – also hier nach Projektende – und 2) es uneindeutig ist, welche der eingetretenen Wirkungen auf das Projekt zurückzuführen sind. Denn viele verschiedene Faktoren haben Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen. Dennoch versuchen wir an diesem Punkt erste Aussagen zu treffen.

Nachfrage & Anerkennung

  • Hohe Anerkennung des Programms bei Projektpartner*innen, z.T. in den senatorischen Behörden, bei Trägern der Erziehungshilfe und anderen Begleiter*innen, in der Politik und damit ebenfalls eine Bestätigung über die Notwendigkeit
  • Anhaltende Nachfrage für Trainee-Plätze, auch nach Projektende (Stand: Sommer 2023). Bedarf besteht!
  • Mediales Interesse & Öffentlichkeitswirksamkeit: Sowohl im auflagenstarken Wirtschaftsmagazin brand eins und der taz als auch im Tell Your Story Beileger hat weserholz mit seinen positiven Narrativen im Zusammenhang mit Diversität, Arbeit und Lernen bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Beteiligte kamen zu Wort, es wurde darauf geachtet, dass Potentiale in den Fokus rückten und bestehende Stigmatisierungen nicht reproduziert wurden. Diverse Auszeichnungen würdigten das Projekt.

Systemveränderung

  • Errungenschaft als Netzwerk: ausbildungsvorbereitende Programme werden in Bremen aufenthaltssichernd!
  • Potential des sozialinnovativen Modellprojekts ist bewiesen und Übertragbarkeit (auf andere Orte und auch „Zielgruppen“) ist gegeben, sofern Förderprogramme geöffnet und -mittel bereitgestellt werden. Das Projekt konnte leider nicht verstetigt werden.

Sozialunternehmerischer Ansatz

  • Der unternehmerische Ansatz zum Verkauf der Möbel und des Interieurs kam wirtschaftlich nicht zum Tragen.
  • Erste Aufträge durch Werder Bremen und das Digilab 2.0. setzten hingegen Maßstäbe zur Weiterentwicklung unseres gemeinwohlorientierten Geschäftsmodells. Seit 2023 ist nun auch dieBremer Verwaltung unsere Kundin/Partnerin.
  • In Bremen wurde weserholz über die Jahre hinweg als Best Practice im Bereich Sozialunternehmertum gehandelt und im Jahr 2021 mit dem 2. Platz als Bremer Sozialunternehmen des Jahres gewürdigt.
  • Über konkrete Projekte, Aktivitäten und die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen schaffen wir dort eine Verständnisbrücke, wo es sonst viele Fragezeichen gibt. Wir zeigen, wie gemeinwohlorientiertes Wirtschaften auf aktuelle Herausforderungen reagieren und positiv wirken kann.  

 

Es gibt so viel zu sagen – auch Kritisches und Konstruktives – deswegen haben wir dazu einen Magazinbeitrag in Arbeit.


Magazin

Geschichten aus unserem Projekt

Retrospektive – von Trainee Diallo

Trainee Diallo beschreibt, warum er sich für weserholz entschieden hat, wie das Lernjahr für ihn war und womit es für ihn weiter...

Diallo lacht und blickt zur Seite

Podcast: weserholz bei Gast&Geber

Paula erzählt im Podcast Gast&Geber, von Isabel Hahn, von unserem Social Design Projekt "weserholz – Design als Brücke in...


Logo Papierflieger Schriftzug Kultur- und Kreativpiloten
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